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Im Hammam

Fatima führt mich zu einem schmucklosen Eingang ein paar Gassen weiter. Wir gehen hinein. Ein betonierter Raum mit Stahlspinden und Holzbänken. Nur das Nötigste. Es riecht feucht nach “Savon noir” und Körperpflege. Eine nackte Glühbirne hängt einsam von der Decke und spendet etwas Licht. Ab und zu zieht eine Dampfwolke aus dem benachbarten Raum herein und hüllt alles in Nebel. An den Wänden ein paar weißliche Kacheln, die schon bessere Zeiten kannten und teilweise heruntergefallen sind. Der Boden blanker Beton. Eher kalt und rauh unter den Füßen. Fatima hat nicht übertrieben. Wenig einladend. Doch ich wollte es ja wissen. Frauen allen Alters, Größen und Breiten ziehen sich mit uns aus. Kinder wuseln herum. Buben bis zum sechsten Lebensjahr gehen mit ihren Müttern ins Hammam. Dann gehen sie mit ihren Vätern mit. Die Mädchen bleiben natürlich bei den Müttern. Alle schwatzen und lachen durcheinander. Begrüßungsrufe. Alle scheinen sich zu kennen. Klar. Es ist der Hammam des Viertels und alle kommen sie seit Jahren hierher. Nur ich bin völlig unbekannt. Noch nie hier gewesen. Eine Europäerin unter ihnen. Nackt. Blicke. Taxierend. Unter Frauen eben… Fatima erklärt. Alle schauen. Eine Touristin? Hier?

Wir gehen in den angrenzenden Raum. Dampf. Ich erkenne Holzkojen in denen dauernd heißes Wasser aus dem Duschkopf von der Decke prasselt. Richtig heiß. Autsch. Fatima drückt mir einen schwarzen Plastikkübel mit kaltem Wasser in die Hand. Richtig kalt. Sie erklärt. Wenn mir das Wasser aus der Dusche zu heiß würde, sollte ich mir den Kübel kalten Wassers über den Kopf schütten. Das hilft. Aha. Zudem gibt sie mir noch verschiedene, in Plastik eingeschweißte Körperpflegeprodukte mit rein arabischer Aufschrift. Ich versuche an der Konsistenz zu erraten, was was ist. Irgendwie erinnert mich das Ganze vage an die Besuche in der Therme des Gellért mit meiner Großmutter im Budapest der siebzieger Jahre.

Nach dem Kampf mit zu heißem und zu kaltem Wasser geht es nun ins kollektive Dampfbad. Hier sitzen wir nun. Frau an Frau. Pobacke an Pobacke. Alles zu nahe an der nackten Haut. Kein Abstand. Wird es mir zu viel? Zu viel tatsächliche physische Nähe mit all diesen unbekannten Frauen? Haut an Haut. Erstaunlicherweise nein. Sie sind alle völlig entspannt und scheinen mich gar nicht mehr als Fremdkörper wahrzunehmen. Ich falle gar nicht mehr auf mit meiner viel zu weißen Haut. Hier sitzen wir nun und lassen den heißen Nebel auf unsere Körper wirken. Durch die Nebelschwaden wirkt alles sehr malerisch. Die vielen Frauenkörper und die karge Umgebung. Hautfarben in allen Schattierungen, von fast Schokolade bis hellem Kaffee. Dunkle Locken, geschwungene Augenbrauen. Graziöse Armbeugen, faltige Kniekehlen. Filigrane Formen, überbordende Speckfalten. Junge Mächen, alte Frauen. Erstaunliche Schönheiten, alternes Fleisch. Sie reden die ganze Zeit. Gemurmel um mich herum. Freundlich. Allgemeine Entspannung. Ich denke noch, wie schön wäre es, das hier mit Bildern festhalten zu können. Natürlich völlig unmöglich – und schlafe fast ein. Kurz bevor ich wegkippe, kommt Bewegung in die nebelfeuchten Körperteile um mich herum. Und plötzlich, ich weiß gar nicht, wie mir geschieht, hat mich eine alte Mammi mit überbordenden Formen regelrecht gekrallt und legt mich mit erstaunlicher Kraft über ihre üppigen Schenkel. Ich bin sehr erschrocken und verstehe nicht, was nun geschieht. Sie beginnt mit einem recht harten Rubbelschwamm meinen Rücken zu schrubben. Im ersten Schrecken eine ziemlich schmerzhafte Angelegenheit. Sie spürt meinen Schrecken, denn ich liege komplett verkrampft über ihren Knien. Sie aber tätschelt mich beruhigend und beugt sich runter zu mir um mir ein warmes, zahnloses Lächeln zu spenden. Ich entspanne mich wieder und genieße ein spektakuläres Peeling am ganzen Körper. Einfach so über die Knie gelegt. Vier Wochen Wüstenstaub werden von mir wegmassiert und abgerubbelt. Himmlisch. Danach wieder heiße Dusche und Arganöl über die frische Haut. Nach dieser Behandlung bin ich zwar völlig erledigt, habe mich aber noch nie in meinem Leben so sauber gefühlt. Danke Fatima! Ich schwebe wieder zurück in den Riad und schlafe alle Müdigkeit aus mir heraus.